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Zentrum für Hochschullehre (ZHL)

Hochschuldidaktische Weiterbildung für alle Lehrenden der Universität Bayreuth

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Hochschullehre im Gespräch: Perspektiven auf eine Zukunft mit KI

Veranstaltungsbericht: Hochschullehre im Gespräch – Zwischen ChatGPT und Campus

Am 04. Juni 2025 fand auf Einladung des Studierendenparlaments (StuPa) und des Zentrums für Hochschullehre (ZHL) die Veranstaltung „Hochschullehre im Gespräch: Zwischen ChatGPT und Campus – Nutzen wir KI sinnvoll in der Lehre?“ statt. Ziel der Veranstaltung war es, einen breiten, partizipativen Dialog zwischen Studierenden, Lehrenden und weiteren Universitätsangehörigen über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Hochschullehre zu initiieren.

Paul Dölle (ZHL) führte durch die Veranstaltung, allerdings nicht allein. An seiner Seite agierte ein KI-gestützter Avatar als Co-Moderator, der live auf die Redebeiträge reagierte, Zusammenfassungen erstellte und die nächsten Programmpunkte ankündigte. Dieser Einsatz zeigte den Teilnehmenden eindrucksvoll und in Echtzeit, wie die Kooperation zwischen Mensch und KI in der Praxis aussehen kann.

Die Grußworte von Prof. Dr. Martin Huber, Vizepräsident für Lehre und Studium, und Hannes Hoppe (StuPa) eröffneten die Veranstaltung. Beide betonten die Notwendigkeit des gemeinsamen Dialogs und die Dringlichkeit, sich der „chancenreichsten Herausforderung“ der modernen Lehre zu stellen.

Umfrage zur Nutzung von KI

Jonas Würdinger (ZHL) präsentierte die Kernergebnisse der durchgeführten KI-Umfrage, an der zu diesem Zeitpunkt bereits etwa 350 Studierende teilgenommen hatten.  Die Daten zeichnen ein vielschichtiges Bild einer Studierendenschaft, die sich mitten in der Transformation befindet.

Ergebnisse der Umfrage

  • KI ist universell präsent: Fast 90 % der Befragten haben bereits ChatGPT genutzt. Die Technologie ist kein Nischenphänomen mehr, sondern fest im Studienalltag verankert. Die häufigsten Anwendungsfälle sind die "Informationsbeschaffung" (76 %), die "Erklärung komplexer Inhalte" (67 %) und die "Schreibhilfe" (63 %). Ein Zitat aus der Umfrage bringt den Nutzen auf den Punkt: „Ich lasse es mir im Nachhinein von der KI erklären und dann verstehe ich es.“

  • Der Ruf nach Klarheit: Trotz der breiten Nutzung herrscht große Unsicherheit. 68 % der Studierenden kennen keine klaren Regeln für den KI-Einsatz oder sind sich unsicher, ob es welche gibt. Die größte Sorge ist die Angst vor Plagiatsvorwürfen (40 %). Daraus resultiert der dringlichste Wunsch an die Universität: 80 % fordern klare, verlässliche und einheitliche Richtlinien.

  • Überwiegend positive Wahrnehmung: Die Grundstimmung ist optimistisch. Eine deutliche Mehrheit von 63 % der Studierenden ist der Meinung, dass die Integration von KI die Qualität ihres Studiums bereits verbessert hat.

Die vollständigen und interaktiv aufbereiteten Umfrageergebnisse, die auch fachspezifische Unterschiede aufzeigen, können hier eingesehen werden: zhl-ubt.de/kiumfrage

Verlauf der Veranstaltung

Zwei Impulsvorträge lieferten die inhaltliche Basis für die späteren Diskussionen. 

Prof. Dr. Agnes Koschmider, die Inhaberin des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik skizzierte einen bevorstehenden Paradigmenwechsel im Bildungsbereich. Sie betonte, dass der Fokus sich von der reinen Reproduktion von Wissen hin zu Reflexion und Transfer bewegen müsse. Dies erfordere neue Prüfungsformate, die den Prozess des Lernens und nicht nur das finale Produkt bewerten. Als mögliche Szenarien für die Zukunft nannte sie eine Universität mit KI-gestütztem adaptivem Lernen und eine enge Mensch-Maschine-Kooperation im Hörsaal. Sie unterstrich dabei jedoch nachdrücklich, dass KI kein Ersatz für die menschliche Beziehung und das pädagogische Gespür von Lehrenden sein könne.

Martin Braun, Co-Founder des Bayreuther Start-ups NeuroForge und Alumnus der Universität, brachte die Sicht der Industrie ein. Er warnte davor, KI blind auf bestehende Probleme anzuwenden, und zog eine Parallele zur Digitalisierung: „Wenn man einen Scheißprozess digitalisiert, hat man einen digitalen Scheißprozess.“ Stattdessen sei eine genaue Analyse notwendig, wo KI wirklich einen Mehrwert schafft. Sein Unternehmen denkt KI-Systeme als "KI-Mitarbeiter", die – wie menschliche Kollegen auch – Fehler machen dürfen. Die entscheidende Kompetenz der Zukunft sei es, die Ergebnisse einer KI einschätzen zu können, ihre "Halluzinationen" als Teil ihrer Kreativität zu verstehen und sie als Assistenzsystem für lästige Routinearbeiten zu nutzen, um mehr Zeit für die wirklich wichtigen Aufgaben zu haben.

Diskussion im World-Café

In einer 90-minütigen, interaktiven Phase diskutierten die Teilnehmenden an fünf Thementischen über zentrale Aspekte der Hochschullehre. 

Tisch 1: Zu-Hause-Prüfungen (z.B. Hausarbeiten)


Definition: Prüfungsleistungen, die Studierende eigenverantwortlich außerhalb der Hochschule erarbeiten und fristgerecht einreichen. Sie erlaubt meist alle Hilfsmittel (Open-Book).

Diskussionsergebnisse:

KI wird vor allem in Form der Large Language Models einen erheblichen Einfluss auf die Herangehensweise bei der Prüfungsform „Hausarbeit“ und ähnlichen Prüfungsformen haben. Chancen sind nicht nur darin zu sehen, dass die KI ein Begleiter des Prüflings wird, der Reflexion im Dialog, ermöglicht, sondern insbesondere auch in der Zeit- und Aufwandsersparnis, die die KI als „wissenschaftlicher Assistent“ bei effizienter Recherche, Sortierung und Aufbereitung der Inhalte bietet. Dies wird den Schwerpunkt von Arbeiten von Reproduktionsleistungen noch stärker in Richtung des Transfers und Weiterdenkens verschieben und lässt geringere zeitliche Rahmen für die Prüfungsformen möglich werden. Auch muss sich durch die Fähigkeit mittels LLM ganze Texte auszugeben, die vordergründige geprüfte Kompetenz der Prüfungsform von dem Transport der Inhalte mittels stilistisch gelungenen Text hin zum (ggf. in anschließender Verteidigung stattfindenden) Transport von Mensch zu Mensch hinbewegen. Das Wissen, was einen gelungenen wissenschaftlichen Text ausmacht, wird zwar weiterhin relevant bleiben, aber ein dialogorientiertes Weiterdenken – sei es mit KI im Schreibprozess oder anschließend im Kolloquium – wird mehr in den Vordergrund rücken als zuvor. 

Tisch 2: Synchrone/Präsenzprüfungen

Definition: Definition: Prüfungsleistungen, die Studierende innerhalb eines festgesetzten (kurzen) Zeitrahmens an einem vorher bestimmten Ort erbringen müssen. Die Hilfsmittel werden durch die Prüfenden festgelegt. Die Vorbereitung erfolgt vor Antritt der Prüfung.

Diskussionsergebnisse:

Der Einsatz von KI wird bei synchronen Prüfungen vor allem in der Vor- und Nachbereitung als interessant betrachtet: Prüfungsfragen können generiert und KI als neutraler Korrektor genutzt werden. Der Einsatz während der Prüfung selbst wurde eher skeptisch diskutiert, wobei Erfahrungswerte zeigten, dass sich die Leistungen durch KI-Nutzung nicht nennenswert verändert haben. Weitere Diskussionspunkte waren die mündliche Prüfung oder Überprüfung von KI-Leistungen, die Neutralität von KI als möglicher Vorteil bei der Bewertung, sowie die Frage nach sinnvollen Bewertungsgrundlagen, wenn KI im Prüfungskontext verwendet wird.Die grundlegende Frage ist eine grundsätzliche: Wie können Prüfungsformen neu gedacht werden, um zu einem kompetenzorientierten Lernen und Prüfen zu gelangen, was im KI-Zeitalter umso wichtiger wird? 

Tisch 3: Einsatz bei Präsenzlehre

Definition: Eine Lehrveranstaltung ist eine didaktisch geplante Einheit im Rahmen eines Hochschulstudiums, in der wissenschaftliche Inhalte vermittelt, diskutiert und angewendet werden. Sie dient dem Kompetenzerwerb (und ist ortsflexibel).

Diskussionsergebnisse:

Der Austausch über den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Präsenzlehre innerhalb der Lehrveranstaltung hat verdeutlicht, dass Präsenzlehre durchaus weiterhin relevant bleibt, sofern eine Transformation hin zu workshopähnlichen Veranstaltungen gelingt, in denen KI konstruktiv eingesetzt wird und somit als wertschöpfende Ressource und nicht als Konkurrenz für Lehrende wahrgenommen wird. In diesem Szenario agieren Lehrende eher als Coaches, die den Lernprozess der Studierenden bedarfsgerecht unterstützen, anstatt nur Impulse in einer frontalorientierten Weise zu geben. Der Einsatz von KI in Präsenzveranstaltungen kann die Kreativität fördern und die Motivation steigern, wenn beispielsweise KI-generierte Ergebnisse, die Studierende durch eigene Prompts erstellt haben, als Diskussionsansatz für Konzepte und Methoden verwendet werden. KI kann auch die Barrierefreiheit positiv beeinflussen, wie etwa durch die Live-Transkription von Wortbeiträgen. Abschließend wurde betont, wie wichtig es ist, dass sich Lehrende umfassend mit KI und ihren Einsatzmöglichkeiten in der Präsenzlehre beschäftigen müssen, um die KI-Kompetenz der Studierenden fördern zu können.  

Tisch 4: Individuelles & Kollaboratives Lernen

Definition: Individuelles Lernen bezeichnet den Lernprozess, bei dem eine Person eigenverantwortlich, im eigenen Tempo und auf persönliche Bedürfnisse abgestimmt lernt. Es basiert auf Selbststeuerung, Selbstorganisation und Selbstmotivation und kann unabhängig von anderen erfolgen. Kollaboratives Lernen ist eine Form des Lernens, bei der mehrere Personen gemeinsam an einer Aufgabe oder einem Problem arbeiten. Dabei tauschen sie Wissen aus, diskutieren Inhalte und unterstützen sich gegenseitig, um gemeinsam zu einem besseren Verständnis zu gelangen.

Diskussionsergebnisse:

An diesem Tisch wurde das große Potential hervorgehoben, mit KI einen dauerhaften Tutor zur Seite zu haben, der nicht wertet und verurteilt, sondern jede Frage beantwortet und jederzeit verfügbar ist. KI kann beim Sprachenlernen unterstützen, beim Übersetzen helfen, Prüfungen simulieren, Fehler erkennen und komplexe Themen verständlicher machen. Idealerweise sollte sie mit den Inhalten der Lehrveranstaltung verbunden sein (Custom GPTs, NotebookLM, etc.).

Als wichtig wurde der gleichberechtigte Zugang erachtet: Verwendungsmöglichkeit der gleichen (evtl. auch kostenpflichtigen) Tools, datenschutzsichere KI vonseiten der Universität, sowie Schulungen zum Umgang mit KI sowohl für Studierende als auch für Lehrende – hochschulweit und einheitlich standardisiert.

Kritische Aspekte umfassten die Frage, ob schnelleres Vorankommen mit Aufgaben immer besser ist oder ob es eine vollständige Durchdringung des Stoffs verhindert. Weitere Bedenken betrafen die Quellenkritik, Nachhaltigkeit, ethische Nutzung und die mögliche Abnahme der Lesekompetenz, wenn man sich alles zusammenfassen lassen kann. Es wurde betont, dass KI zu Kompetenzverschiebungen führt: teilweise zu Verlusten, teilweise zu neuen, vorher unmöglichen Kompetenzen. Der persönliche Austausch mit Kommilitonen wurde weiterhin als sehr wichtig für den Lernerfolg angesehen.

Tisch 5: Aufgabenorientiertes Lernen

Definition: Stark von Lehrperson vor-strukturierter Lernprozess, bei dem Selbstlernmaterialien (digital/print) mit praxisnahen Aufgaben kombiniert und oft mit späteren Präsenz- oder Online-Phasen verknüpft werden.

Diskussionsergebnisse:

Einen großen Einfluss hat KI in diesem Zusammenhang aus Sicht der Diskutierenden auf den zeitlichen Faktor. Sie wird von Lehrenden zur Ideenfindung bei der Konstruktion von Lehr-Lern-Szenarien genutzt. Eine Einbindung von Tools in die eigene Lehre findet jedoch noch wenig statt, was auf das Fehlen von klaren Vorgaben (Datenschutz) und/oder eigene Wissenslücken in diesem Bereich zurückgeführt wurde. Auch würde eine qualitativ bereits hochwertige Lehre nicht durch das zusätzliche Einbinden von Tools verbessert. Studierende sehen den Vorteil weniger in der Definition (individueller) Lernwege, denn als lernbegleitender „Coach“ zur Reflexion des eigenen Wissensstandes oder Ideengeber. Aufgrund der Unklarheit, ob die durch KI generierten Prozesse und Inhalte korrekt sind, würde der Lernprozess jedoch nur vermeintlich schneller und präziser. Das eigene Erarbeiten von Wegen zur Erkenntnis sei per se eine Fähigkeit, die im Studium erlangt werden kann, KI dient hier möglicherweise als kritisch zu betrachtende Abkürzung.  

Nächste Schritte: Von der Diskussion zur Transformation der Hochschullehre

Die Ergebnisse der Umfrage und des World Cafés bilden die Grundlage für den nächsten Schritt. Das Studierendenparlament hat die Erkenntnisse in einem Schreiben gebündelt, um den Handlungsbedarf zu unterstreichen.

Die zentralen Forderungen umfassen:

  1. Gemeinsamer Rahmen: Ein fakultätsübergreifender Plan zum Umgang mit KI in der Lehre.

  2. Regelungsklarheit: Fakultätsspezifische, aber einheitlich verständliche Richtlinien.

  3. Transparenz: Klare, überschaubare Übersichten zum KI-Einsatz für jede Prüfung.

  4. Potenzial nutzen: Aktive Anregungen zur sinnvollen Einbindung von KI in Vorlesungen.

  5. Bewusstsein schaffen: Weiterbildungsangebote für alle Angehörigen der Universität.

Die Veranstaltung „Hochschullehre im Gespräch“ ist Auftakt für einen strukturierten, universitätsweiten Dialog. Sie hat gezeigt, dass ein großer Bedarf und eine hohe Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit dem Thema KI bestehen, um die Zukunft der Lehre an der Universität Bayreuth aktiv und im Konsens aller Beteiligten zu gestalten. Der Prozess ist angestoßen, der Dialog wird fortgesetzt.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete die feierliche Übergabe der Zertifikate für hochschuldidaktische Weiterbildung.

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